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Eine Weihnachtsgeschichte 2. Teil: Ich erkannte, sie ist gar nicht meine Nikotinabhängigkeit

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Eine Weihnachtsgeschichte in zwei Teilen



2. Teil: Ich erkannte, sie ist gar nicht meine Nikotinabhängigkeit


„Krass“, sagte ich. Ich erkannte, sie ist gar nicht meine Nikotinabhängigkeit, ich hatte eine Nutte aufgegabelt. Na toll, hoffentlich gehört das nicht zu ihrem Schema, auf diese Weise Freier zu machen, sondern sie will wirklich nur nach Hause. „Wieso krass? Möchtest Du nicht? Komm für zwanzig, oder ich blas Dir irgendwo einen für zehn? Komm schon, ich könnte zehn echt gut gebrauchen.“ Ich war baff, sie schaut mich an. Ich konnte in ihre Kapuze sehen und ihr Gesicht betrachten. Ich fuhr geradeaus auf der Landstraße, in der Ferne konnte man bereits Kölnberg ausmachen. Ihre Augen waren wach und ehrlich, jedoch sie war irgendwo, nur nicht in ihrem Körper. Ihre Welt musste aus etwas viel, viel wunderschönerem bestehen, in das sie sich wieder zurückziehen wollte. Beim Sprechen erkannte ich Ihren Speichel, milchig und fies. Ihr fehlten ein Schneidezahn, oder sie hatte eine starke Fehlstellung, es muss irgendwann mal ein wunderschönes Mädchen gewesen sein. Sie hat sich selbst sehr stark vernachlässigt. „Bitte komm ich Blas Dir einen?“ Ein weinerlicher Unterton, ein fordernder und verzweifelter Ton, aber anscheinend keine neue Situation für sie. „Komm für zehn, hier! Halt einfach an, ich brauch nur zehn Euro, ich mach’s Dir für zehn! Zehn reichen echt“, stach sie weiter. Sie änderte weder ihre Position, noch ihre Tonlage, sie benutzte kein Gestik, saß zusammengekauert da und wendete lediglich ihr Gesicht zu mir, in der Kapuze versteckt. Ihr Atem roch nach mehr als altem Rauch. Roch nach fauligem, roch nach milchigem, nach krankem. Sie schaute mich an, ich schaute in ihre Pupille und stellte wieder eine Tiefe fest; eine Welt dahinter, wie hinter einer Glasscheibe, die inzwischen matt geworden war. 

Ihre Augen glänzten wie Fett

 „Komm ich blas Dir einen für zehn Euro“ – „Nein!“ – Was hatte sie so sehr von dieser Offensichtlichkeit ablenken lassen? Warum konnte sie wollen einen solchen Zustand zu verfolgen? Ich war verblüfft und ein wenig ratlos. Ich hatte nicht vor ihre Geschäftsideen zu verwirklichen, ich war weit davon entfernt, dass dies Realität werden konnte. Ich bekam mehr Kopfschmerzen von ihr. „Nur für zehn Euro mach ich’s dir, echt!“ – „Nein, sei doch froh dass ich Dich überhaupt mitnehme!“ 
Ihr fauliger Mund, ihre schmutzigen Hände mit schwarz konturierten Fingernägeln, ihr Geruch nach  alten Kartoffeln, Staub, ranziger Friteuse und einer alten Milchpackung zeichneten eine Hieronymus Bosch Blaupause. „Komm schon, ich brauch es echt. Für Dich mach ich’s auch nicht für zwanzig. Nur zehn, das reicht“ Wie ein Picknick auf nacktem Boden in der Bahnhofstoilette. „Du bist zwar eine Süße, aber du hast keine Chance“, sagte ich lakonisch und versuchte fest nach vorne zu schauen. „Wo musst Du eigentlich hin?“ Sie veränderte zum erstenmal ihre Position, sie sank mehr zusammen. Sie seufzte. Die Realität bereitete ihr Schmerzen. Sie hatte anscheinend große Schmerzen durch ihre matte Scheibe hindurchzutasten. Es schien, als sei es anstrengender für sie, als neben mir um ihre Würde für zehn Euro zu betteln. Sie sagt leise einen Straßennamen, den ich nicht verstand. Ich hakte nicht nach, ich vermutete, dass sie auch damit zufrieden wäre, wenn ich sie in Köln-Berg an der Ecke rauslassen würde. „Dann gib mir doch so zehn Euro, biiiiittteeee!“ Sie wahr auf eine neue Idee gekommen, sie lies nicht locker. „Hörmal ich kanns echt gut gebrauchen, gib mir nur zehn, weißt Du, dann komm ich schon gut durch!“ In meinem Kopf schwirrten Bilder einer stinkenden Unterführung, mit ihr, wie sie sich in einen alten Karton zum Schlafen legt, während kreischend Güterzüge vorbeifahren und in der Ferne Hunde bellen. 

Ihr Urinnerstes war tief vergraben

Ich bog ab und sie zeigte mit einem Ärmel, dass sie in der nächsten Straße aussteigen möchte. Ich entschied deshlab in etwas nicht zu investieren, was mich nicht reizt zu bekommen weil dessen Ideal keine Ähnlichkeit mit meinem hat. Zumal vermutete ich, dass ich sie wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Aber ich verwarf den Gedanken wieder, da bei genauem Überlegen es viel Wahrscheinlicher wahr, dass ich sie morgen wieder an der selben Stelle treffen würde. Ich prüfte kurz ob es für sie nicht einfacher wäre sich umzubringen? Ich hätte es in Betracht gezogen, aber wer bin ich, darüber von meinem Bock aus zu Entscheiden? Ich würde sie wahrscheinlich erneut mitnehmen, sie würde mir genauso wieder unheimliche Kopfschmerzen bereiten und im Auto stinken. Ich tippte auf ihren Gurtöffner und der Gurt schnallte etwas zurück. Sie öffnete die Tür noch nicht. „Komm schon, bitte, echt, es ist echt wichtig, das wär’ auch nicht so viel, aber das würde mir echt weiterhelfen, mach schon“ – „Hey ich hab Dich doch zumindest mitgenommen, ist das etwa nichts?“ und es rutscht ihr heraus „Das bringt mir ja nichts, ich brauch nur ein bisschen, nur zehn Euro.“ Grauenhaft.
Ich sah sie an, sie blickte mir ins Gesicht, aber ich sah, dass sie nicht wirklich war. Ihr Urinnerstes war tief vergraben und versteckt, sie hat sich verraten und verkauft. Ich schüttelte nur noch den Kopf, es reichte mir auch. Ich mochte ihren Geruch nicht mehr länger ertragen. Sie zog zusammen und öffnete die Tür, verließ den Wagen. Wie ein kleines Mädchen; ich spürte ihren Groll. Eine Ungerechtigkeit für sie, eine unerhörte Blockade. Sie wollte die Tür schmeißen, schien aber zu schwach. Ich setzte zurück und fuhr weg.
 Die Kopfschmerzen blieben und ebenso blieb weiterhin ihr muffiger Geruch. Ich hoffte, dass ich sie nie wieder treffe. Ich entschied aber definitiv, das ich zukünftig davon absehen würde Anhalter mitzunehmen.


Eine Weihnachtsgeschichte 1. Teil: Per Anhalter über die B51

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Eine Weihnachtsgeschichte in zwei Teilen



1. Teil:Per Anhalter über die B51

Heute morgen wachte ich mit einem unglaublichen Kopfschmerz auf. Eine Schraubzwinge über meinen Kopf gespannt, von der Stirn bis hinter das Bett.  Hinter den Augen zwängte sie meinen Schädel schmerzhaft zusammen. Ich fühlte nach dem Wecker, der lediglich für zeitdemonstrative Zwecke aufgestellt bereitsteht und wähnte mich bereits verschlafen. Ein Blick auf das lose Ende des Handyladekabels verriet das Fehlen des aktiven Weckers. Die Kopfschmerzen schränkten meine Handlungsfreiheit stark ein. Ich wurmte im Bett bis ich den Kopf zur Bettkante brachte und öffnete die Augen nach dem vermissten Telefon. Ich fand nur die Batterieabdeckung. In diesem Zustand konnte ich bloß auf die Disintegrität meines Handys und nicht auf dessen Folgen schließen. 
Verdammtes Teil, ich musste es nachts mit einer Bewegung im Schlaf vom Tisch gerissen haben. Ich robbte zum Kopfende, blickte unters Bett. Das Telefon, bäuchlings, ohne Akku und weit entfernt. Eine Monsteraufgabe für mich, die Schläfen pochten. Wie ein Besen räumte ich unter dem Bett mit meinem Arm nach dem Akku. Finden, greifen, Augen schließen und ausruhen. Ich drehte mich auf den Rücken, in beiden Händen Handyteile, um mehr Luft zu bekommen. Ich atmete, schloß die Augen und fühlte mich erschöpft bevor ich überhaupt aufgestanden war. 

Wäre es eine gute Entscheidung aufzuhören mit dem Rauchen? Irgendetwas war stark aus dem Gleichgewicht geraten, ich fühlte mich krank. Nein eher als werde ich krank. Mit dem Auto fuhr ich an diesem morgen nach Brühl. Ich hatte am Frühstückstisch als einzige Handlung ein Schmerzmittel auf einen Löffel getropft, das ich mal für Magenkrämpfe bekam, welches ich damals auch nur solange nahm, bis ich plötzlich erkannte, dass es ein Schmerzmittel und kein Magenmittel war. Ich fühlte mich auf meiner Fahrt ganz gut in dem Auto, die Kopfschmerzen waren lange nicht weg, aber dafür war alles andere angenehm. Ich zweifelte an der Wirkung des Mittels ob seiner Subtilität. Die Heizung blies warm in den Fußraum, die Ampeln waren mir gut gesinnt. Das untere Ende Kölns, die Ausfahrt über die Luxemburgerstraße, auf den Militärring Richtung Brühl abbiegend, gestaltet sich meistens quälend. Das Arschloch Kölns, hat meist Verstopfung oder hält ein, weil seine Straßenbahnen kreuzen. An der Ecke steht eine Anhalterin. Da ich pro-Anhalterinnen bin, und mir als Führerschein-Neuling oft wünsche ich würde eine nette Anhalterin mitnehmen, um meine Weile auf der Fahrt auf eine nette Weise zu verkürzen, frohlockte ich. Ich war mir erst nicht sicher, aber dann erkannte ich sie. Dort stand meine Nikotinabhängigkeit. Sie hatte eine Kapuze von ihrem Anorak über den Kopf und ihre Hände tief in den Ärmeln. Nur ihre Daumenbewegung unterschied sie von einem Passanten. Ich hielt mit zwei Rädern auf dem Bordstein und zog die Verriegelung an der Beifahrerseite raus. Sie setzte sich mit fröstelndem Blick auf den Sitz und schnallte sich sofort an. Ich sah sie an, sie war um einiges jünger als ich, hatte in ihrem Augen den Blick eines kleinen liebenswerten Mädchens, ein paar Haare fielen aus ihrer Kapuze und ich schloss auf Frisur und Haarfarbe. Beim hastigen Anschnallen streifte ein Blick ihre Hand. Ihre Fingernägel waren kaputt und schwarz unterlegt. Sie musste schmutzige Hände haben wie ein Feldarbeiter. 
„Es ist so kalt. Seit 6 Uhr bin ich draußen, und nichts.“ Ich verstand nicht. Kam sie gerade vom Feld? Wer arbeitet denn hier so unmenschlich? „Keine Chance, keine einzige, was soll ich jetzt machen.“ Ich vermutete, dass sie geistig verwirrt oder in einer Notsituation sein musste. Ich fragte sie also, „Was machst du denn?“ Sie schaute mich kurz an, sie hat kleine Muttermale neben ihrem Auge und leicht gebräunte Haut. Sie schaute wieder auf die Straße und redete dabei etwas mit halbgeschossenem Mund. Sie nannte Zahlen, ich konnte aber nichts zuordnen, was sie von mir wollte, und warum sie überhaupt so plötzlich so offen redete. Ich war darauf gefasst einen Zielort genannt zu bekommen, an dem sie möglichst nahe abgesetzt werden wollte. Das ist es doch, was man als Mitfahrer auf der Zunge hat? Aber der Weg von A nach B schien nicht ihr hauptsächliches Problem zu sein. „Ich gehe auf zwanzig, aber nichts. Nicht mal zehn. Ich mach auch mit anfassen für zwanzig und heute, war nichts da, da mache ich es auch für zehn.“ Ich schluckte. 

Und morgen gehts es weiter mit dem zweiten Teil der Weihnachtsgeschichte:

„Ich erkannte, sie ist garnicht meine Nikotinabhängigkeit!“




Frage heute (7)

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Freitag ist Fragetag

Jede Woche wird eine Frage gestellt, dessen Antwort nur Gott weiß. (hier ist ein Gottesbeweis)
Man kann außer der Einsicht nicht viel gewinnen.
Es ist mehr ein Schritt zurück in die Richtung von Web 1.0, als es noch darum ging sich berieseln zu lassen, aber eben nach seiner Berieselung aktiv suchen zu müssen.
Ich stelle also vor:





  Die Weihnachts-Frage heute


Was ist das Eigenbrauer-Syndrom?

 

Am Montag...

  ...erwartet euch die zweite der zwei Weihnachtsgeschichten. Auch diese Geschichte ist eine wahre Begebenheit und wurde nicht, wie es in diesem Blog suggeriert wird, durch übersteigerte Emotionen und Verlinkungen mit neuen Nuancen beladen. Alles hat sich genau so abgespielt und die Konversationen sind zum Teil aus transkribierten Audiomitschnitten, die dem Blogger vorliegen.

Wurst und Erdbeerkäse - Die Allianz für Bildung

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"ROCK YOUR LIFE! Köln Lust, dich sozial zu engagieren? Wir suchen Studenten für eine neue Coachingkohorte 2013."
 "Rock your life" ist ein Programm vom Bund, das vorsieht 'versagende Hauptschüler' (=bildungsferne Schicht) den Leuten, denen es zu gut geht und die sich Ihre Probleme aussuchen dürfen, festverbindlich für einen festen Zeitraum von 2 Jahren aufs Auge zu binden und "deren Erfolge miteinander zu verknüpfen".

Na, wenn das nicht mal eine gute Idee ist, dann weiß ich auch nicht. Schließlich kann sich die Politik nicht um alles gleichzeitig kümmern, schon gar nicht um schlecht in die Arbeitswelt integrierbare Jugendliche, deren Zukunftsperspektiven so ungewiss sind, dass nichtmal ihre prospektierten Helfer dafür einen Ausgleich bekommen, wie zum Beispiel, sie müssen nicht zum Bund oder in heutigen Zeiten spielt Geld auch immer noch eine Rolle.

Achso, ihr sagt, zum Bund muss man sowieso gar nicht mehr, Henoth!
Ihr sagt, dass ein Ehrenamt doch eine feine Sache sei, Henoth!

Ja, ich pflichte euch bei, dass wenn man irgendwas "nicht muss" dass dies eine feine Sache sei. Denn wer sich das freiwillig aussucht, wie er uneigennützig hilft, dass dieser Person Orden und Steuervergünstigungen hinterhergeworfen werden müssten. Aber noch schöner wäre es doch, sollte sich einer mal in die "Helferecke" verirren, dass man diesem Menschen dann auch gleich die Daumenschrauben angesetzt werden können, für den Fall er würde sich doch irgendwann freiwillig wieder dagegen entscheiden:

 "...dich verbindlich dafür entscheiden, deinen Coachee über zwei Jahre hinweg etwa einmal die Woche zu treffen (im Fall von Auslandssemestern o. ä. können individuell Ausnahme- bzw.Nachfolgeregelungen gefunden werden)"

Aber was heißt schon verbindlich?
Und was heißt schon benachteiligt

 

Rock your Life! ist villeicht nicht gerade das beste Motto für eine solche Kampagne, aber wir wollen ja nicht gleich alles auseinandernehmen, wir haben uns auf eine Fragestellung beschränkt. Dennoch fällt auf, dass bei der Umreißung der Zielgruppe, der geholfen werden soll sehr euphemistisch eingestiegen wird:

...arbeitest gemeinsam an den Träumen, Visionen und Potentialen des Schülers, stets im Hinblick auf seinen Einstieg in die Ausbildung, den Beruf oder auf die weiterführende Schule.
 Dieses Neocon-Neusprech den derzeitigen Schülern und Studenten aufs Auge zu drücken ist nahezu ein Verbrechen. Denn "gemeinsam an Träumen, Visionen, etc. arbeiten" heißt ja nicht etwa, dass man mit einem Grashalm im Mund, im Sommer auf einer Wiese liegend gemeinsam Dinge in Wolkenformen überlegt und sich gegenseitig darüber austauscht, während man sich eine Limonade teilt. Die Bildungsverweigerung  (die SPD hat das gesagt) ist schier die neue Form des gesellschaftlichen Ausstiegs und wird den Menschen als scheinbar bewusste Entscheidung verkauft.


Denn was der Solzialpädagogik-Student dem Aussteiger in seiner Freizeit vermitteln soll (Zitat Emilio Walter, Jura "Mit dem Studium lässt es sich gut vereinbaren, schließlich opfere ich keine Studienzeit, sondern Freizeit"), dass ist die Notwendigkeit seiner Untertänigkeit.
 Die historisch verankerte, die sozial vernetzte, die gesellschaftlich geforderte, die ökomomisch erforderliche, die versicherungstechnisch vertragliche, die unausweichliche Erbuntertänigkeit.


Die Fronherrschafft wurde erst 1848 gänzlich beendet, und das ist gerade mal 165 Jahre her, aber die
"Merkmale der Erbuntertänigkeit waren die Arbeitspflicht (glebae adscriptio) sowie Frondienste, Gesindezwang für die Angehörigen und Kennzeichen des Analphabetismus."

Dazu Gunnery Sergeant Hartman:
,,Privat Paula hat Schande über sich gebracht und Schande über den ganzen Zug. Ich habe versucht ihm zu helfen. Aber das war Umsonst. Ich habs nicht geschafft, weil ihr mir dabei nicht geholfen habt! Weil ihr es nicht verstanden habt, Privat Paula die richtige Motivation zu geben.
Das heisst: Von heute an,wann immer Privat Paula scheisse baut,werd ich nicht ihn bestrafen, dann werd ich euch alle bestrafen. Und so wie ich es sehe Ladys schuldet ihr mir was [...] .Also runter auf den Boden.[...] Und jetzt,Bewegung!"



 "Es gibt Menschen, denen kann man nicht helfen,
für alle anderen gibt es die Junge Union" - J.U.


Aber vielleicht war es ja auch gar keine bewusste Entscheidung des "opt-out" aus dem Lesezirkel. Vielleicht ist eher der Einfluss der Eltern gewesen, welche sich unbewusst oder wider besseren Wissens für eine unsichere Zukunft ihres Kindes einsetzten. Diesen Umstand soll ja "bildungsferne Schicht" suggerieren, dass das Kind eben mit der Mischpoke bis zum Hals im Sumpf steckt.
Ich habe auch eine endlich eine vollständig medizinische Begründung für die ganzen Menschen mit nassen Unterlippen: Fetales Alkoholsyndrom. Denn, uuuh: "statistisch gesehen verzichtet nur eine von fünf Frauen während der Schwangerschaft konsequent auf jeglichen Alkoholkonsum "
Das ist schon bitter.
 
Und von alleine wäre ich gar nicht darauf gekommen (wahrscheinlich schon): Im Radio erfahre ich, dass die Uni-Köln eine Studie innerhalb dieses Programmes anstrengt, welche prüfen soll, in wie fern sich die Benachteiligung weiter ausdehnen lässt. Also konkret hieß das, ob sich zwischen die Hauptschulversager auch Behinderte mischen können, ohne dass die Gruppe  inhomogen würde.

Jetzt wo diese Gruppe von Menschen geformt wurde, ihnen einen Namen gegeben wurde und ihre Würde auf das notwendigen Satz heruntergekürzt wurde, schlage ich auch schon deren Ausweg aus der Misere und die Galleonsfigur dafür vor: Prinz Marcus von Anhalt




In 2006 he bought his name for several million dollars by being adopted by Frédéric Prinz von Anhalt, husband of Zsa Zsa Gabor, who had himself obtained his name by adoption. [...]"Prinz von Anhalt" is his surname, rather than a title, as per German laws regarding the country's former nobility. - wiki



Anstatt sich also zu unterwerfen oder irgendwelche Qualifikationen zu erarbeiten, kauft sie euch einfach. Kauft euch den Titel, den ihr schon immer haben wolltet und legt los "arbeitet an euren Träumen".

Und wollt ihr wissen woran man die wirtschaftskrise WIRKLICH bemerkt?
Die Preise für einen guten Abschluss fallen: http://title-town.eu/






Jetzt schneller genießen

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Über einer Mini-Coupé-Werbung steht etwa:

“Du willst mehr Thrill? Fahr ihn nackt.”

 Genauso wie wir gestern bei den Portalen für Nachrichten festgestellt haben, geht es beim Kauf von Neuwagen auch nur um Emotionen. Das dies nichts neues, werdet ihr sagenm, den Kauf eines Produktes mit Emotionen zu beladen. Worauf ich aber mit nacktem Mauszeiger hinweise, ist das dies nun ungeachtet der Folgen offensichtlich nicht mehr versteckt ode subtil geschieht sondern platt ausformuliert. Von "heimlichem Beladen einer Marke" kann nämlich garnicht mehr die Rede sein, wenn man sich zwischen Thrill und Chill entscheiden soll.  Zwischen diesen Extrema gibt es nichts zu holen. Alles kann man nun in diesen beiden Kategorien abgreifen. Entweder man will den Nervenkitzel oder man will proaktiv und vollständig beruhigt werden. Das suggeriert: "Du befindest dich gerade im Mittelmaß, brich aus (zahl Geld)!"

Dazu der Weltenrichter: Mein Favorit ist allerdings die Werbung für Fisch, wo über den Genitalbereich von nackten Menschen "fisch macht sexy" geschrieben steht.

Quelle: http://www.wuv.de/

“Fanta Lemon enthält Zucker, der Dir die Energie für Deinen aktiven Lebensstil gibt.”

Mehr Sex, mehr Thrill, mehr Zucker, keine Kalorien, mehr Emotionen und konsequent ein Leben nur noch aus Grenzerfahrungen. Wir geben also nur noch Gas und lenken wie mit der Gameboy-Steuerung. Entweder Gas oder Bremse voll drauftreten; links oder rechts fahren in dem das Steuer immer im Vollausschlag gefahren; was sich dazwischen befindet, dafür solltest du dich ein bischen schämen.

Ich schäme mich nicht nur nicht, ich reagiere auch nicht (mit Kauf). Ganz im Gegenteil, Marken, die solche semiotischen faux-pax begehen und mir zu versuchen aus der vermeintlichen Offensichtlichkeit eine klebrige Zuckerwatte zu weben, sind mir suspekt. Natürlich bleiben sie im öffentlichn Gedächtnis kleben wie Zuckerwatte-tumble-weed. Natürlich, werdet ihr sagen, Henoth, gib Ihnen doch gar nicht erst die Genugtuung, dass Du sie zum Anlass nimmst, damit haben sie doch gewonnen. Ich werde nicht hingehen und sie versuchen zu verbieten, wie die Österreicher.
Ich werde einen ganz anderen Weg einschlagen.






Das "Ablass-Mana-Schwert" mit paypal bezahlen  - 
dann hast es bereits im nächsten Moment


Ich habe eine schwungvolle Idee, wie ich aus dem Übel ein unwirksames Übel mache. Ich möchte, dass versucht wird die Bedeutung von unredseligen Dingen damit abzuschwächen, dass deren Name verballhornt wird, bis er ins pejorative verrückt.
Anstatt von "seelenloser Verklärung", habe ich bereits einmal vorgschlagen, einfach von "Disney" zu sprechen. Gemeint sind nicht, Walt oder seine Zeichnungen, sondern nur noch die ablative oder phlegmatische Gemütsregung und deren konnotierter Beigeschmack. Vielleicht lakonisch, villeicht ist es auch nur das erste Beispiel für dieses Gegen-Neusprech.
Denn so wie sich Taxonomien und Begriffe eingebürgert haben (Zewa oder Kleenex statt Küchenrolle,etc) so läst sich einfach alte Begrifflichkeiten mit dem verdreht ironischen  Sinn ihrer konterbegriffe beladen.

Damit sind wir auch die "in die Fresse Befeuerung" mit den direkten Inhalten los und viellicht damit auch ihren Fnord.

by ron english











Eine Vorweihnachtsgeschichte: 2.Teil Seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen

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Eine vorweihnachtliche Geschichte  in zwei Teilen*

2. Teil: Seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen

* verfasst durch eine Transkription von Band

 

 


(Fortsetzung vom ersten Teil)
Er wurde sehr zudringlich und redete direkt auf mich zu, nicht so erzählerisch in den Raum.  Ich habe kaum ein Wort verstanden, da schwenkt er bereits zu dem nächsten Thema um
  „Ich hab net zu arbeide, hab keine Kinder mehr, eine Frau.
  Damals jabs det janitt, hat keine Gebärmutter mehr, haste eine Frau, kommen die anderen,ne?
  Ich hab n Herz für die Frauen ne?
   Kommen die andern dies und jenes.
   Auf dem Mühlenbusch hatte ich vier Frauen, Ich wollt dat janitt.
   So en schwätzchen mitjemacht, und eine sach ich: Kaffe getrunken wird zuhausen ne?
   und eine sachte, können wir uns ma treffen, ne?
   Die war so groß ne?“

Er zeigt bis unter seine Brust:
   „Die hab ich so an de Been jepack. Als junge Bengel ne?.
   Denk dran, muss ja, ne, weiss ja bescheid. <murmelt> 
   Dann kanst die auch wegjagen -  
   Ich hab nen guten Schlag, hörma.
   Ich üb jeden Morgen rechts und links, immer schneller, wie ne Bombe ne?“

Er zeigt auf seine Fingerknöchel und schaut sich dabei immer hektisch um, und lacht mich freundlich, an, aber mit einem Blick, als ob er mir entweder meiner Mimik nicht glaubt oder als ober er mich durch seine Brille nicht richtig erkennt. Dann haut er sich mit einem mit der Faust auf die Brust und sagt:
  „Das ist alles Muskel, dat kann ma sehen, mit fümmsiebzisch jaahr noch.“

Er hebt die Hand und fuchtelt wild im Gang damit hin und her:
  „Ich schlag damit noch jut.
   Da kann ich mit zuschlagen.
   Ich tret bis in die Weichteile.
   Weisste ja.
   Kaennste, ne?
   In die EIER [schreit er laut, der Bänker guckt kurz], dann liegt der da.
   Und du musst immer gucken dat du den von hinten zu packen kriegst,
   wenn se schlägst den Arm schwingen!“

Er macht eine rudernde Bewegung als er seinen Arm schwingt,
    „dann immer schneller, ne.
    Das kann ich – ja! --, gar nicht so einfach.
    Mit nackichene Knie im Gras, die Übung jeden Morgen.
   Die Frauen finden das toll, muskeln an der brust kommen die fühlen.
   Wenn die sich ausziehen.
   Aber manchmal wenn die stinken, dann sach ich’ Hau ab!’ und jach die fott.
   Nää, dann datt will ich ooch nitt.
   Aber meistens könn die ja nix dafür, dann ham die ihre tage, dann, ne, wenn die stinken unne so.“

Er zieht die Nase kraus, lacht aber dabei zahnlos, als ob er behindert wäre, und gleich eine Spastik machen würde; dann abrupt hört er auf und dann erzählt er wieder weiter in dem gleichen Tonfall. ob Wie er über einen Zaun zum Nachbarsgarten kletterte, über den Besuch im Zoo oder die fällige Ernte:
   „Dann kannste die wegjagen mit den muskeln.“

Und auf einmal wurde er ganz anders, hektisch und direkt:
   „Sach ma musste hier nich raus?“

Er schaut auf und nimmmt seine kleine Ledertasche von seinen Füßen auf.
  „Ich geh zum Zahnarzt, ich hab schoneins ne Krone verschluckt“,

Dabei reibt er sich würgend mit einer Hand über den gestreckten Hals,
  “beinahe! Ich sachet nur so: Mir fehlt jetzt hier ne Reihe“

Dazu reißt er sein Maul auf  und entblößt mir seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen mit Flecken und lässt nicht ab:
   „Hier und hier, fehlen Kronen“
 
Immer tiefer wandern seine Finger, immer mehr beugt er sich rüber. Ich habe schon gedacht ich bin in einer Art Fernsehshow gelandet und das ist der Lockvogel – dadurch, daß er sich so freizügig gibt, nicht nur vor mir, sondern auch vor allen anderen einen halben Meter um ihn. Das Sitzplätze im Abteil sind inzwsichen alle Belegt, mache stehen im Gang. Aber diese Menschen machen das einzig richtige: Sie starren gebannt auf Ihre Bücher und Zeitungen,
   „Und wennde hierens fühlst ist der Zahn janz scharf – dat pickt mich in de Lippe.
   Deshalb jonn ich zum Zahnarzt,.“

Aha also nicht weil dir alle Zähne aus dem Maul faulen, denke ich.
„Ich könnt auch teure Geld mir sparen“,

ich sehe dass er  auch noch Spass daran entwickelt


Als er auf einmal seine linke Hand zu mir schwenkt, als wolle er mich verabschieden oder etwas geben, sagt er:
  „So ich muss hier aussteigen, ne? Ich geh zum Zahnarzt.“
Ich denke mir okay, der Typ geht, wie geil! Jetzt verabschiede mich einfach vom größten Freak des Tages; endlich ist es vorbei. Also geb ich ihm, rechts von ihm sitzend, meine rechte Hand in seine ausgestreckte Linke, er grinst mich an und zieht eine merkwürdige Grimasse. Dann drückt er mit der Hand fest zu und zerrt, ohne eine gezielte Richtung daran, als wolle er Kräfte messen.
Nur hört er nicht mehr auf, sondern zieht konstant daran, und ich sehe dass er  auch noch Spass daran entwickelt.

Da wurde mir klar, der Typ hat echt einen Schaden. Der muss was an der Birne haben, das kann nicht normal sein. Da stimmt wirklich was nicht. So klar wie der vielleicht rübergekommen sein mag, grinst er wie ein mongoloider Bastard in sich hinein und -wait a minute-
 … zieht er etwa meine Hand zu seinem Sack?
Der Gedanke wird wie ein Fenster mit Durchzug aufgerissen und weht durch minen ganzen Kopf. Zwischen Befürchtung und Vorsicht machen sich Aggression und Angst breit, eine Mischung, die Reserven aktiviert - Und ich entziehe ihm schlussletztlich damit auch meine Hand.
Er steht nun doch auf, die Türen öffnen sich, geht aber nicht gleich raus, sondern will etwas sagen, hält sich am Sitz fest, wo meine Jacke in den Gang hängt, zeigt darauf:
   „Das hat jemda vergessen“

Grinsend reibt er sein Gemächt an der Haltestange 


Ich sage ihm, dass es meine Jacke sei, aber dann grinst er nur wieder so belämmert und hebt ein Bein an den Pfosten. Will mir damit irgendwie slapstickhaft andeuten, ich möge mich jetzt wieder über die Sitzbank verteilen, mit meinen Beinen, so wie vor seienr Ankunft, er sei ja jetzt nicht mehr dort am Sitzen.
 Man stelle sich vor: Ein 75-jähriger alter Mann ohne Zähne grinsend umklammert die Haltestange vom Zug und, anstatt Anstalten zu machen hinuauszugehen, hebt er ein Bein und reibt es am Sitz - grinsend -
Grinsend reibt er sein Gemächt an der Stange! Das ist ein Irrer. Das ist einer von denen. Die jeinigen, die die kleinen Jungen auf Spielplätzen angraben, vor denen sie sich entblößen und bemerken ihren sozialen Faux-Pas nicht einmal. Das wurde ganz spürbar, dass ihm diese Dissonanz nicht aufging.

Schlägst du dem jetzt einfach aufs Maul? Einfach kaputthauen, den Rest Zähne heraus? Scheiß auf seine Behindi-Kampf-Phantasien und sein Messer aus Holz, Jetzt gibt’s paar aufs Maul –
   Doch da geht er auch schon.
Die Türen schließen sich. Die Leute die den letzten Fauxpas mit dem Bein mitbekommen hatten, jedoch leider sonst nichts, entspannen sich mit mir sichtlich.
Und der Zug fährt nach dem Schließen der Türen noch nicht los, da tritt er wieder ins Bild, vor der Fensterscheibe links, der alte Sack, wie er auf das Halteschild der S-Bahn zugeht, sichtlich angestrengt mit verkkniffenem Blick, das Schild laut lesend- DÜ-SSEL-DO-RF  HA—MM,
schon gehen die Mundwinkel nach unten, lässt er seine Schultern fallen, blickt sich wie hilfesuchend um, findet meinen Blick und will sagen „Falsch…!“
Da fährt der Zug auch schon sachte an.  Der alte Mann greift aussen in Richtung Türknopf und ein ganzes Abteil betet zusammen, für die Vorwegnahme des Zugführers. Wir lassen den Freak hinter uns.
Gestört bleibe ich zurück. Mit dem Gedanken mich zunächst nirgendwo anzufassen,  solange ich mir nicht die Hand gewaschen habe.



Eine Vorweihnachtsgeschichte: 1.Teil Heute morgen stieg ich in den Zug

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Eine vorweihnachtliche Geschichte  in zwei Teilen*

1. Teil: Alle Leute in der S-Bahn kommen sich sehr beobachtet vor

* verfasst durch eine Transkription von Band

 



Heute morgen steige ich in den Zug. Ich habe diese Sonntagnacht nicht geschlafen. Ich habe nicht einmal gelegen. Mein Fahrrad lehnt im ersten Abteil gegen die hochgeklappten Sitze und wird von einem RadGurt gehalten. Und ich lasse inzwischen immer meine Tasche in dem Fahrradkorb, trotzdem ich mich vom Fahrrad weg in eine Sitzgruppe setze. Ich könnte mich auch auf die Klappplätze gegenüber setzen, damit ich diese Tasche und das Rad im Auge behalten kann.

Aber es stellte sich heraus, dass sich die Leute in der S-Bahn alle sehr beobachtet vorkommen,
so dass eine offenliegende Tasche nicht zum Anlass genommen wird, ihr Besitzer würde sie unbemerkt lassen. Eben weil sie offen sichtbar liegt. Wer stiehlt schon die Mäntel von schlafenden Passagieren aus den Gepäckfächern darüber? 
Die Beine übereinanderzuschlagen, wie in Europa üblich, blieb mir verwehrt, weil ein Bankier oder ein anderer Vertreter der Macht, den Platz gegenüber mit seinem Wirtschaftsblatt eingenommen hat. Also schlage ich ein Bein behende über den rechten Sitz und lehne meinen Rücken gegen die Scheibe. Meine nasse Jacke hänge ich in die Handhalterung am Gang.
Die Kälte im Zug übersteigt nicht die Außentemperatur, trotz des feuchten Wetters; die Scheibe ist jedoch sehr kalt im Rücken. Eine Station weiter, spiele ich an meinem Handy gerade ein Java-Game, als sich wie üblich die Türen zur Station öffnen und Leute in den Zug schleusen. Ein alter Mann steht neben meinem Sitz und giert auf meinen Platz. Einen Moment lang berechne ich im Augenwinkel die viel größere Platzmenge im Vierer nebenan und wundere mich, daß der alte Sack auf den Platz mit dem Bankier und mir zu steuert, als ich schon den vermeintlichen Grund erkenne: Mein leger hochgelegter Fuß. Er spricht mich nämlich sehr undeutlich an:
   Ob der Sitz wohl so, wie ich säße, bequem sei.
   Ob meine Haltung denn bequem sei.
Er wirkt ein wenig schrullig, wie er das sagt, als ob er „einer alten Schule“ gerecht werden will. „Sowas macht man nicht“, schwingt in seinem undeutlichen, weil leise gesprochenen, Worten mit. Er ist ein wenig aufbürstend, wie er da eine Geste des Wegfegens macht, die übergeht in eine Geste des Ausholens zu z.B. einer Backpfeife. Diese energischen Bewegungen veranlassen mich verblüfft, weil übermüdet,  überrascht über seine Vorstellung und meiner geringen Widerstandsfähigkeit gegen soziale Kontraktionen in Sozialschläuchen, vergaat auf meine Seite zu rutschen. Ein bischen belämmert sitze ich nun da, kassiere einen Blick vom Bänker, der von seiner Zeitung kurz hochblickt, als wolle er sagen, recht hat er eigentlich schon, der alte Herr!

Ich war in der Hitlerjugend und hatte keine Uniform an

Die Türen der S-Bahn schließen sich mit dem entsprechenden Pfeifen und die S-Bahn fährt gerade an, als mich der Alte von der Seite anspricht. Er ballt seine Fäuste und spannt seine Rentnerbrust, schaut durch seine gelbe Brille und feiert:
   „Ich hab Kraft im Arm, in beiden. Wenn ich will dann geht das. Ich übe sowas. Einmal kam einer auf mich zu, und den hab ich jetreten.“
Er hebt irre sein rechtes Bein in den Gang als wollte er jemand im sitzen treten. Er schaut es an, senkt es wieder und fährt so, ungefragt und wider meines abstoßenden Gesichtsaudrucks, fort:
   „Ich kann jemand in die Weichteile treten, im Stehen, bis hier hin“,
dabei markiert er mit der Hand eine Stelle an seiner Jacke. Er bestätigt es mit einem Nicken und sagt verschmitzt:
   „In die EIER!“
Dann grinst er breit, reißt sein Maul auf und ich erkenne, daß er kaum noch vernünftige Zähne hat. Nur noch Zahnhälse und Stümpfe in allen Farben des Sonnenunterganges. Es macht einen Eindruck auf mich als ob er ein Penner wäre. Wie er mich anredet, 20cm von meinem Gesicht entfernt, mit dem offenen Mund, erwarte ich förmlich den Schwall an Gestank.
Es tritt nicht ein. - Der Typ hatte sich gewaschen und irgendwie geschafft, dass sein Maul nicht wie eine Mumie riecht. Es schwingt vielleicht ein leichter Duft von Alkohol mit. - Aha, denke ich, eine einsamer Alkie, der jetzt sein Mitteilungsbedürfnis in mitleiderregender Form bei mir ablässt.
Ich habe bloß gehofft, das er im nächsten Moment seine Fanfaren einpackte, weil sein sein Grinsen nun  kurz verebbte und er mechanisch nach vorne schaute. Doch dann wird er wieder energisch, reißt seine Zeitung hoch, auf dem Titelblatt ganz viele eingesogene Regentropfenund das Konterfei von Klaus Wowereit, der seinen Partner umarmt. Ruckartig redet er mich an, mit einem leichten Plattdeutsch:
   „Kennste den? Weißte watt dat für eine is?
   Ist das ne warme? Ne warme?
   oder is dat ne kalte bruder? Hä?
   Sowat, ne, jabet lang nit, so kääls, ne.
   Wenn so eyne Kerl Dich aufdringlich kommt. Dann musst du das Messer zustechen.
   Ich hab einens mit Holz, das hab ich nie gebraucht, einmal vielleicht.“

Er wirkt dabei imemr unzusammenhängender,
   „Wenn man Frauen sowas antut, "Schlagen" und so, dann kommt sofort Blaulicht.
   Die Bullen helfen ja auch.
   Dehalb versteck ich das Messer immer gut.
   Hör mal mit 75 muss man das schon. Ich war ganz unten drin.
   Da kommst du nicht mehr raus.“

Ich bleibe hinter dem Zusammenhang hinterher und Blicke nun auf den Boden. Ich habe immernoch mein Handy in der Hand und in mir reift der Gedanke ein Video auzuzeichnen.
Da schüttelt er seinen Kopf leicht und als ob er einen Absatz fortfahren würde leitete er ein: 
  „Da ging dat dann … Judenvernichtung. Ja! - Sowerum
  <Grummel grummel>
  mit Knüppel druff, ne.
  <Grummel grummel >
  Dann woren so wo se hinjehören, dat die leute da mitjemacht haben, 
  Die jroßen, ne,  woren überall.
  Da war wer wegkommen, wer glück hatte,
   dann in der tiefste Keller, war janz unten, da kommen die rein, da machste nix mehr.
 <Grummel grummel >
  Wir hatten da zuhaus,  -mein Vatter war metzger - , wir hatten gasvergiftung.
   Da hatt keyner nach jefrogt.  
   Und Vater und seine  Juden das waren sechs Leute, ne, metzgerei,
   und ich sag hörens ma, ne, mit sechs kommter in Knast, das nur vorausjesetzt,
   und nur einer kommt noch wieder.
   Und der jeht noch.  
   Einer kann besuchen  - wir haben nur da jeschuftet.
   Könnsich das vorstellen?
   Nur einer kommt zu mir.
   Dann waren se am ende doch fleißig.  
   – und ich war in der Hitlerjugend und hatte keine Uniform an.“

Er bekommt nach seiner ruhigen Rede ein Gesicht wie eine Eule, als warte er auf eine Reaktion von mir; auf einen Kommentar.
  „Und die Uniform? Uniform?
  Warum hast  du keine Uniform.
  Da war ich en paar taag einjesperrt, soch ich, was los, ne? –
  Aber et get ja jetz immer weiter.
   Dat muss alles wegjonn dat geld.
   Ob das jetzt der Kriech ist oder nitt.
  Aber dat kann man jetzt anders machen.
  Watt haässt du dänn jemacht?“

Ich sage:
 „Ich hab Ersatzdienst gemacht. Ich hab damit nichts zu tun“

Da lacht er und legt seine Zähne frei:
  „Dat hatse juut jemacht, alle Achtung“ .



Und morgen gibt es den zweiten Teil der Vorweihnachtsgeschichte.