Eine Vorweihnachtsgeschichte: 2.Teil Seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen

|

Eine vorweihnachtliche Geschichte  in zwei Teilen*

2. Teil: Seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen

* verfasst durch eine Transkription von Band

 

 


(Fortsetzung vom ersten Teil)
Er wurde sehr zudringlich und redete direkt auf mich zu, nicht so erzählerisch in den Raum.  Ich habe kaum ein Wort verstanden, da schwenkt er bereits zu dem nächsten Thema um
  „Ich hab net zu arbeide, hab keine Kinder mehr, eine Frau.
  Damals jabs det janitt, hat keine Gebärmutter mehr, haste eine Frau, kommen die anderen,ne?
  Ich hab n Herz für die Frauen ne?
   Kommen die andern dies und jenes.
   Auf dem Mühlenbusch hatte ich vier Frauen, Ich wollt dat janitt.
   So en schwätzchen mitjemacht, und eine sach ich: Kaffe getrunken wird zuhausen ne?
   und eine sachte, können wir uns ma treffen, ne?
   Die war so groß ne?“

Er zeigt bis unter seine Brust:
   „Die hab ich so an de Been jepack. Als junge Bengel ne?.
   Denk dran, muss ja, ne, weiss ja bescheid. <murmelt> 
   Dann kanst die auch wegjagen -  
   Ich hab nen guten Schlag, hörma.
   Ich üb jeden Morgen rechts und links, immer schneller, wie ne Bombe ne?“

Er zeigt auf seine Fingerknöchel und schaut sich dabei immer hektisch um, und lacht mich freundlich, an, aber mit einem Blick, als ob er mir entweder meiner Mimik nicht glaubt oder als ober er mich durch seine Brille nicht richtig erkennt. Dann haut er sich mit einem mit der Faust auf die Brust und sagt:
  „Das ist alles Muskel, dat kann ma sehen, mit fümmsiebzisch jaahr noch.“

Er hebt die Hand und fuchtelt wild im Gang damit hin und her:
  „Ich schlag damit noch jut.
   Da kann ich mit zuschlagen.
   Ich tret bis in die Weichteile.
   Weisste ja.
   Kaennste, ne?
   In die EIER [schreit er laut, der Bänker guckt kurz], dann liegt der da.
   Und du musst immer gucken dat du den von hinten zu packen kriegst,
   wenn se schlägst den Arm schwingen!“

Er macht eine rudernde Bewegung als er seinen Arm schwingt,
    „dann immer schneller, ne.
    Das kann ich – ja! --, gar nicht so einfach.
    Mit nackichene Knie im Gras, die Übung jeden Morgen.
   Die Frauen finden das toll, muskeln an der brust kommen die fühlen.
   Wenn die sich ausziehen.
   Aber manchmal wenn die stinken, dann sach ich’ Hau ab!’ und jach die fott.
   Nää, dann datt will ich ooch nitt.
   Aber meistens könn die ja nix dafür, dann ham die ihre tage, dann, ne, wenn die stinken unne so.“

Er zieht die Nase kraus, lacht aber dabei zahnlos, als ob er behindert wäre, und gleich eine Spastik machen würde; dann abrupt hört er auf und dann erzählt er wieder weiter in dem gleichen Tonfall. ob Wie er über einen Zaun zum Nachbarsgarten kletterte, über den Besuch im Zoo oder die fällige Ernte:
   „Dann kannste die wegjagen mit den muskeln.“

Und auf einmal wurde er ganz anders, hektisch und direkt:
   „Sach ma musste hier nich raus?“

Er schaut auf und nimmmt seine kleine Ledertasche von seinen Füßen auf.
  „Ich geh zum Zahnarzt, ich hab schoneins ne Krone verschluckt“,

Dabei reibt er sich würgend mit einer Hand über den gestreckten Hals,
  “beinahe! Ich sachet nur so: Mir fehlt jetzt hier ne Reihe“

Dazu reißt er sein Maul auf  und entblößt mir seine faulen Stümpfe, wie kleine Pyramidenspitzen mit Flecken und lässt nicht ab:
   „Hier und hier, fehlen Kronen“
 
Immer tiefer wandern seine Finger, immer mehr beugt er sich rüber. Ich habe schon gedacht ich bin in einer Art Fernsehshow gelandet und das ist der Lockvogel – dadurch, daß er sich so freizügig gibt, nicht nur vor mir, sondern auch vor allen anderen einen halben Meter um ihn. Das Sitzplätze im Abteil sind inzwsichen alle Belegt, mache stehen im Gang. Aber diese Menschen machen das einzig richtige: Sie starren gebannt auf Ihre Bücher und Zeitungen,
   „Und wennde hierens fühlst ist der Zahn janz scharf – dat pickt mich in de Lippe.
   Deshalb jonn ich zum Zahnarzt,.“

Aha also nicht weil dir alle Zähne aus dem Maul faulen, denke ich.
„Ich könnt auch teure Geld mir sparen“,

ich sehe dass er  auch noch Spass daran entwickelt


Als er auf einmal seine linke Hand zu mir schwenkt, als wolle er mich verabschieden oder etwas geben, sagt er:
  „So ich muss hier aussteigen, ne? Ich geh zum Zahnarzt.“
Ich denke mir okay, der Typ geht, wie geil! Jetzt verabschiede mich einfach vom größten Freak des Tages; endlich ist es vorbei. Also geb ich ihm, rechts von ihm sitzend, meine rechte Hand in seine ausgestreckte Linke, er grinst mich an und zieht eine merkwürdige Grimasse. Dann drückt er mit der Hand fest zu und zerrt, ohne eine gezielte Richtung daran, als wolle er Kräfte messen.
Nur hört er nicht mehr auf, sondern zieht konstant daran, und ich sehe dass er  auch noch Spass daran entwickelt.

Da wurde mir klar, der Typ hat echt einen Schaden. Der muss was an der Birne haben, das kann nicht normal sein. Da stimmt wirklich was nicht. So klar wie der vielleicht rübergekommen sein mag, grinst er wie ein mongoloider Bastard in sich hinein und -wait a minute-
 … zieht er etwa meine Hand zu seinem Sack?
Der Gedanke wird wie ein Fenster mit Durchzug aufgerissen und weht durch minen ganzen Kopf. Zwischen Befürchtung und Vorsicht machen sich Aggression und Angst breit, eine Mischung, die Reserven aktiviert - Und ich entziehe ihm schlussletztlich damit auch meine Hand.
Er steht nun doch auf, die Türen öffnen sich, geht aber nicht gleich raus, sondern will etwas sagen, hält sich am Sitz fest, wo meine Jacke in den Gang hängt, zeigt darauf:
   „Das hat jemda vergessen“

Grinsend reibt er sein Gemächt an der Haltestange 


Ich sage ihm, dass es meine Jacke sei, aber dann grinst er nur wieder so belämmert und hebt ein Bein an den Pfosten. Will mir damit irgendwie slapstickhaft andeuten, ich möge mich jetzt wieder über die Sitzbank verteilen, mit meinen Beinen, so wie vor seienr Ankunft, er sei ja jetzt nicht mehr dort am Sitzen.
 Man stelle sich vor: Ein 75-jähriger alter Mann ohne Zähne grinsend umklammert die Haltestange vom Zug und, anstatt Anstalten zu machen hinuauszugehen, hebt er ein Bein und reibt es am Sitz - grinsend -
Grinsend reibt er sein Gemächt an der Stange! Das ist ein Irrer. Das ist einer von denen. Die jeinigen, die die kleinen Jungen auf Spielplätzen angraben, vor denen sie sich entblößen und bemerken ihren sozialen Faux-Pas nicht einmal. Das wurde ganz spürbar, dass ihm diese Dissonanz nicht aufging.

Schlägst du dem jetzt einfach aufs Maul? Einfach kaputthauen, den Rest Zähne heraus? Scheiß auf seine Behindi-Kampf-Phantasien und sein Messer aus Holz, Jetzt gibt’s paar aufs Maul –
   Doch da geht er auch schon.
Die Türen schließen sich. Die Leute die den letzten Fauxpas mit dem Bein mitbekommen hatten, jedoch leider sonst nichts, entspannen sich mit mir sichtlich.
Und der Zug fährt nach dem Schließen der Türen noch nicht los, da tritt er wieder ins Bild, vor der Fensterscheibe links, der alte Sack, wie er auf das Halteschild der S-Bahn zugeht, sichtlich angestrengt mit verkkniffenem Blick, das Schild laut lesend- DÜ-SSEL-DO-RF  HA—MM,
schon gehen die Mundwinkel nach unten, lässt er seine Schultern fallen, blickt sich wie hilfesuchend um, findet meinen Blick und will sagen „Falsch…!“
Da fährt der Zug auch schon sachte an.  Der alte Mann greift aussen in Richtung Türknopf und ein ganzes Abteil betet zusammen, für die Vorwegnahme des Zugführers. Wir lassen den Freak hinter uns.
Gestört bleibe ich zurück. Mit dem Gedanken mich zunächst nirgendwo anzufassen,  solange ich mir nicht die Hand gewaschen habe.



1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

das war edd shuster.

Kommentar veröffentlichen