Internationale Stereotype dürfen wieder tanzen

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Zum Einstieg zunächst hier mal kurz angucken: DailyIndia via gonzomedia

Also? Sehr geil.
Es war tatsächlich nicht erlaubt in diskotheken zu tanzen.
Man wurde vom Personal angehalten sich zu setzen. ....now I know why.

Ok, ok "Diskothek" ist ein weiter Begriff. Sagen wir mal "Bar in welcher Musik lief, die eine Konversation unmöglich macht."

"On the other hand, various organisations representing dance bars, [...] had also submitted that there were over 70,000 women engaged in dance bars and several of them had already committed suicide due to unemployment and financial crunch."

...denn eins ist den Indern ganz klar: Tanz in einer Bar = Prostitution.

Wenn sowas überhaupt erlaubt sein kann, dann müssen nämlich erstmal
  • ALLE tanzen und zwar
  • GLEICHZEITIG, 
  • DAS SELBE,
  • ÖFFENTLICH. 
Das kann dann nämlich keine anrüchigen Annäherungsversuche unterstützen (welche nicht als Hochzeit arrangiert wurden). Ja, diese Stereotype wird dort vermittelt (Der Okzident mag das anders sehen). Und das heisst dann Bollywood und ist ok. Privates Tanzen ist nämlich erstmal nicht zum Vergnügen, sondern es wird ihm ein anrüchiger Zweck unterstellt. Es verfolgt ja schließlich ein Ziel, welches nicht unter der Kontrolle der Familie (der Moral, der Sitte, dem Oberhaupt, der Laune, etc.) steht, nämlich Die Verführung.
Aber Verführung und Öffentlicher Raum (eine Bar) passen in Indien per se nicht zusammen. Also wird es verboten.

Ja, mögt ihr geistesanwesenden Leser jetzt einwerfen: "Henoth, aber um nochmal auf diese Bollywood Filme zurück zu kommen: Da tanzt doch auch eine Frau halbnackt und küsst und so weiter? Ich sehe hier zweierlei Maß."

Ja, für den okzidentalen Betrachter, mag das wie zweierlei Maß wirken. Aber für den distinguierten Orientalen mit vorsichtigen Moralvorstellungen in siedlungsdichten Gesellschaften funktioniert das ganz gut. Denn die moralisch unverwerfliche Schauspielerin wird ihre Rolle niemals verlassen. In der Klassen und Stände-Denkweise Indiens wird dafür nämlich extra ein Platz gemacht. Das Item girl.

Kein Schauspieler, der später große Karriere anstrebt, darf sich in moralisch verwerflicher Situation präsentieren. Es sei denn es fällt unter die Kategorie Item girl (siehe dazu auch Urban Dictionary ) dann ist das Zeigen von nackter Haut zwar bereits durch die Berufsgruppe geächtet (Sie kann nie wieder "reine" Figuren verkörpern. Die Darstellerin ist Schuldbehaftet) - jedoch lange kein öffentlicher "scandal", wie es sofort im indischen heißt.

Zum Skandal wird es erst wieder, wenn die weltliche Bollywoodwelt mit religiösen Dingen vermischt wird (siehe dazu auch hier ) und selbst DANN ist merkwürdigerweise auch immer die DARSTELLERIN SCHULD. Nie der Regisseur, das Drehbuch, oder wie in diesem Falle: der Kostümbildner.

Und schon sind wir am Kern der Sache angelangt: Wie weit ist diese Gesellschaft mit der Verortung von derart moralischen Verwerflichkeiten? Wir lernen aus obigem: Die Frau ist Schuld, die Frau ist Schuld und ach ja die Frau ist schuld also muss es verboten werden und hier schließt sich der indigene Kreis.

In Serbian culture, common saying to describe a person who is telling obvious lies is "You are striking like Maxim strikes at the division" (Lupaš kao Maksim po diviziji) - meaning that the person is lying or telling stupidity hard as machine gun is hitting the soldiers.  - wiki


Aber in anderen Ländern herrschen Sitten, denen wir nicht gewahr wären, wenn euer Henoth nicht mit dem nackten Finger darauf verlinken würde! Damit das mit der arbiträren Moralgrenze, die ganz nah an die Skandallinie herranreicht, klar wird, habe ich zwei Seiten für euch, die das ganz gut zeigen:


  1. Der Blickwinkel aus dem Okzident heraus
  2. Der Blickwinkel in den ekelhaften Okzident

Exkurs: So wie Geld seinen Wert verliert, so verlieren auch Informationen ihren Wert

Gemeint ist die veränderliche Nachrichteninformation, insbesondere beeinflusst durch das Netz. Und zwar über Inflation. Nicht etwa, wie man sich direkt übertragen vorstellen mag, dass ein und die selbe Nachricht kopiert weitergegeben wird und deshalb eine Abwertung entsteht. Nein, denn die Währung im Netz, der Wert einer Seite, der Grad mit dem eine Nachricht gemessen wird ist die Aufmerksamkeit, die entgegengebracht wird. Je mehr also eine Nachricht genau kopiert wiedergegeben wird, desto mehr Aufmerksamkeit (ob von einem schon Dritten gelesen oder nicht, ob automatisch kopiert oder manuell) wurde ihr bereits zuteil.
Die Inflation tritt dann auf, wenn versucht wird aus der Nachricht mehr zu machen als sie ist (z.B. bei Skandalen und Boulevard. Wir sprachen letzte Woche über dieses Schema) Der Themenkomplex wird künstlich aufgebläht und der inhalt der Nachricht sinkt, relativ zu seinem Gesamtumfang.



Um das mit einem Beispiel zu füttern nehmen wir wieder die Geschichte "Polizei zieht VW-Bus mit 24 Insassen aus dem Verkehr". Wenn diese Nachricht plötzlich von allen Stationen gesendet werden möchte, dann beginnen manche vielleicht mit ein bischen Recherche, andere fügen eine Umgebungskarte von Kassel hinzu, wieder andere zeigen Originalbilder vom Tatort. Dieses alles würde eher deflationär wirken, denn die Originalnachricht wird hier noch mehr verfeinert.
Ab dem Punkt, wo sich Polemik, Lügen und Drama einzuschleichen versuchen (also die Nahrung, das Substrat von erfolgreichen Schlagzeilen), wenn man also Vermutungen anstellt, wie "Im Kofferraum seien zusätzlich Holzbohlen aufgebockt gewesen, auf denen ebenfalls mehrere Menschen übereinander sitzend gereist seien." und dann mit angeblichen Tatsachen den Konjunktiv verlässt: "Die Erwachsenen waren nach eigenen Angaben auf Arbeitssuche in Deutschland." dann gibt man der Spekulation Raum und der Kern der Originalnachricht wird belastet mit Thesen.
Wird diese "Thesen-belastete" Nachricht dann weitergeben "och Harry guck enz he: de asoziale Ausländer kumme jetz Busseweise!" und dies immer wieder kopiert, dann steigt die hier definierte Inflation an (zusätzlich: Stille Post-Symptom).


 Das google-searchword-trend-phänomen, Suchwort: "india rape"


Um wieder zu unserem Ursprungsthema zurück zu kommen, wenden wir uns einer Statistik zu. Wir wissen nun, dass wir den Inflationswert einer Nachricht rausrechnen müssen, um zu erkennen, was ursprünglich gemeint war. Zum Skandalthema von vorhin bringe ich euch gerne eine Grafik über einen speziellen Suchbegriff, welcher auf der Welt bei google gesucht wurde näher:
...
Polizei zieht VW-Bus mit 24 Insassen aus dem Verkehr - weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Polizei-zieht-VW-Bus-mit-24-Insassen-aus-dem-Verkehr-id25887806.html



Man kann hier schnell erkennen, dass eine plötzlicher Anstieg an Interesse nach diesem Suchbegriff irgendwann Anfang 2013 zu verorten ist. Wurde der Begriff vorher bereits gesucht? Ja, und zwar stetig und gering steigend.
Was war also Anfang 2013 geschehen? Und was bedeuten die Spitzen danach?
Könnt ihr euch, denn nicht erinnern, an die plötzliche Inflation dieser Nachricht?



Update: "Der indische Supreme Court [...]  hat mit seiner heutigen Entscheidung ein bahnbrechendes Urteil des Oberen Gerichtshofs in Delhi aus dem Jahr 2009 für [...] nichtig erklärt. Die Richter dieser niedrigeren Instanz hatten vor vier Jahren entschieden, dass einvernehmlicher Sex zwischen erwachsenen gleichgeschlechtlichen Partnern kein Verbrechen ist. [...]  Doch konservative politische und religiöse Gruppen klagten gegen das Urteil [...]. Und das hat heute entschieden, dass die Bestrafung der Homosexualität keine verfassungswidrige Diskriminierung ist."

Quelle, inländische Quelle